33
Juni 1945
Fritze

Mit Mühe kraxelt Fritze aus dem riesigen Laster der Roten Armee, nachdem der freundlich grinsende Fahrer auf eine schöne Sportuhr am auch sonst reichbestückten Arm deutet und offenbar klar machen will, wann er am Nachmittag etwa auf dieser Autostrasse wieder zurückkommt. Fritze bedankt sich sehr, indem er alle seine zwanzig russischen Vokabeln bemüht, und fühlt in der Tasche nach seinem Stück Papier. Er hinkt noch, indem sein verwundetes, entrüstetes Bein erst wieder laufen lernt.

Kinder und alte Leute stehen an der Ecke an der Pumpe nach Wasser an und schleppen Eimer in alle Himmelsrichtungen. Er sieht sich nach dem grossen gelben Haus um, wo sie im März, vor hundert Jahren im März, gefeiert haben.

Zur Linken sieht der Park aus als sei er Schauplatz gleich mehrerer Siegesfeiern der roten Kavallerie gewesen. Der Boden ist zerfurcht, Pferdeäppel und leere Flaschen, Papyrossakippen überall, und die Asche vom Lagerfeuer. Die Natur folgt freilich ihren eigenen Regeln. Unter den Birken stehen giftig -schöne, dekorativ anmutende Fliegenpilze, so als wollten sie sagen, ‘Lasst uns man machen. Wir kriegen alles wieder hin.’

Bevor er das gelbe Haus wiederfindet, sieht er Anna, die unten am Tümpel entlangläuft und laut etwas ruft. Nadja ist bei ihr, beide in dunklen Kopftüchern. Er wartet auf der anderen Strassenseite und nach einer Weile kommen sie herüber.

“Fritze!” Aber Annas Begrüssung ist gedämpft. “Du, es tut mir leid, aber wir suchen nach meinem kleinen Bruder. Wir können ihn nirgends finden. Es sieht ihm so gar nicht ähnlich, einfach abzuhauen.”

“Tag erstmal. Naja, ich würde euch ja gerne helfen. Was kann ich tun? Rennen oder hüpfen kann ich aber noch nicht wieder.”

“Was ist mit deinem Bein?”

“Oberschenkel. Granatsplitter. Also, was kann ich helfen?”

“Ach, das ist es ja. Wir wissen auch nicht, wo wir noch suchen sollen, haben schon die ganze Nachbarschaft abgeklappert. Die Gärten überall.”

“Normalerweise hätte man natürlich vorgeschlagen, die Polizei anzurufen, aber “normalerweise” gibts ja nicht mehr, und Telefon und Polizei auch nicht,” sagt Fritze. “Wir sind’s mal wieder. Die Wasserpumpe da vorne?”

“Nie ohne eine von uns. Das ist noch zu schwer für ihn. Bis vor kurzem sind die kleinen Kinder noch zu den Russen gegangen, Reis oder Suppe zu essen, aber die Russen sind abgezogen. Wir haben oben den Balkon gefegt und gesehen, dass er nicht im Sandkasten war. Unsere Mutter — wir müssen reingehen. Sie ist ausser sich.”

Da entdeckten sie die kleine rennende Gestalt, barfuss, etwas zerkratzt, aber fröhlich und wohlbehalten. Sie schwangen ihn im Kreise und gingen erleichtert miteinander ins Haus. Mutti umfasst ihren Sohn mit beiden Armen und wirft einen fragenden Blick auf den Besuch. Der zieht ein schmales Päckchen aus dem Hemd und reicht es ihr.

“Statt Blumen,” sagt er. “Das Blumengeschäft hatte wieder mal nichts auch nur annähernd Akzeptables am Lager…” Und sie quietschen vor Lachen, teilweise vor Erleichterung. Das Päckchen enthält grüne Kaffeebohnen, und Mutti ist selig.

“Vielen Dank, junger Mann,” sagt sie. “Auf den neuen Karten gibt es natürlich keinen Bohnenkaffee. Wie freundlich von ihnen.” Und dann:

“Wie sind sie denn hier heraus gekommen? Anna hat erzählt, dass sie in der Innenstadt wohnen?”

“Ach ja? Hat sie über mich gesprochen? Also, heute hatte ich ein Riesenglück. Ich konnte mit einem Laster der siegreichen Roten Armee mitfahren. Meine Mutter arbeitet bei der neuen Ortsverwaltung, und-”

“Wirklich? Mit einem russischen Lastwagen?” Mutter sieht entsetzt vor sich hin.

“Ich auch! Ich bin auch mit einem russischen Lastwagen gefahren,” ruft Foffie dazwischen und wippt auf Annas Knie. “Einem sooo grossen. Der Kapitän hat ihn gefahren.”

Einen Moment bleibt der Raum vollkommen still. Niemand weiss, ob man Foffie glauben sollte. Militärkolonnen waren den ganzen Nachmittag auf der Chaussee unterwegs gewesen, und auch einige Laster auf ihrer Strasse, was die Frauen veranlasst hatte, vorsichtshalber wieder in ihre Verstecks zu verschwinden. Dann waren die Wagen davongefahren, auch in Richtung der Wälder.

“Wer ist denn dieser Kapitän?” will Fritze wissen, der erkennt, dass Foffie die Wahrheit sagt.

“Das ist ein anständiger Mensch,” berichtet Mutter, die immer noch am ganzen Körper zittert. “Es ist ein Offizier, der hier herum ein, zwei Wochen lang stationiert sein musste. Eines Tages entdeckte er Foffie im Sandkasten draussen und kam herein, um mir zu sagen, er hätte auch einen kleinen Sohn in dem Alter gehabt, der ihm sehr ähnlich gesehen hätte. Sein Sohn sei an Typhus gestorben, hat er gesagt. Der Kapitän spricht fliessend Deutsch. Er kam ein paarmal vorbei und brachte etwas Brot und Schokolade für Foffie und sogar Milch. Und dann kam er mal und sagte, wenn er nach Hause abrücken müsste, würde er Foffie mitnehmen. Ich habe natürlich gelacht. Ich dachte doch er macht Spass.”

“Vielleicht war’s das auch,” sagt Fritze. “Foffie, was hat denn der Kapitan zu dir gesagt heute?”

“Gar nichts,” sagt Foffie. “Er ist zum Sandkasten gekommen und hat wieder mit mir gespielt. Dann hat er gesagt, ‘Ich muss jetzt wegfahren.’ Er hat mich zu dem grossen Lastwagen getragen und mich ganz hoch gehoben hinten. Er war leer, aber in den andern, die auch weggefahren sind, da waren lauter Soldaten drin. Er ist ganz schnell gefahren, weil er aufholen musste.”

“Wie weit seid ihr denn gefahren, Stummel, wie lange denn?” fragt Mutti.

“Und was ist dann passiert?” sagt Anna.

“Naja, wir sind gefahren und gefahren, und da war ein Bums, und dann sind wir angehalten. Vorne, da war was kaputt. Der Kapitan und ein anderer Soldat, die sind rausgekommen mit einem grossen Kasten, und da haben sie was dran gemacht.” “Und dann? Haben sie mit dir geredet?” fragt Anna.

“Hat der Hauptmann irgendwas erklärt?” fragt Nadja.

“Nein, er hat die ganze Zeit Russisch geredet und er war wütend.”

“Was hast du denn da gemacht?” erkundigt sich Korinna. Mutti hält das Gesicht mit beiden Händen bedeckt.

“Na, ich konnte nichts sehen, und wir fuhren ja nicht mehr, und ich habe erst gewartet, aber dann bin ich hinten runtergeklettert und nach Hause gerannt,” sagt Foffie.

“Oh mein Gott. Hat dich jemand gesehen? Haben sie hinter dir hergerufen?” “Nein.”

“Wo waren denn die andern Lastwagen hin?” fragt Fritze.

“Die sind schon weggefahren,” sagt Foffie.

“Bist du einfach losgelaufen oder wusstest du den Weg?” fragt Korinna.

“Na hab’ ich doch, wusst’ ich ja. Da hinter dem Fussballplatz wars, und da bin ich gerannt und gerannt und gerannt, aber ich musste an der Ecke stehen bleiben bis mich Onkel Wernig rübergebracht hat.”

“Onkel WERNIG? Bist du ganz sicher, dass er das war? Das wäre ja wunderbar!” sagt Anna. “Mir scheint, da ham wir heute noch mal Glück gehabt, ein Riesenglück,” sagt Fritze ernst. Mutter nickt, das Gesicht noch immer in den Händen, und schluchzt. Nadja legt den Arm um sie.

“Wir sollten überlegen, ob Foffie ein paar Tage bei einem der Nachbarn bleiben könnte, nur vorübergehend,” sagt Anna.

Mutter nickt. Sie werden mit Onkel Wernig sprechen. Wenn er wirklich heimgekehrt ist.

Fritze steht auf und geht im Zimmer herum.

“Ich muss mein Hinken üben,” sagt er. “Immer wenn ich einen der weniger Vertrauenswürdigen kommen seh’, hinke ich ein bisschen doller.”

Mutti lässt Foffie nicht aus den Augen, und Nadja sitzt daneben.

“Fritze und ich gehen jetzt mal oben auf den kleinen Balkon,” sagt Anna, “wo wir gehört, aber nicht gesehen werden.”

“Warum sie nur in meinen Flügel gemacht haben?” fragt Mutti auf einmal mit abwesendem Ausdruck. Fritze hält inne.

“Das haben sie gemacht? In den Flügel ge-, die Soldaten?” Mutter nickt.

“Warum ein so schönes Instrument vernichten? Ich verstehe es einfach nicht.”

“Ja, ich will natürlich niemanden entschuldigen, und ich habe auch keine echte Antwort,” sagt Fritze, “aber meine Mutter hat gehört, dass die Menschen in der Sovietunion immer zu hören bekommen hätten, sie lebten im Paradies, und in andern Ländern würde die Bevölkerung in Hunger und unmöglichen Zuständen dahinvegetieren.” Er hält inne.

Mutter sieht ihn aufmerksam an.

“Na, und wie sie dann über die Grenzen marschiert sind und all die sauberen Dörfer und Städte gesehen haben, die Höfe und so, da haben sie kapiert, dass man sie belogen hat, und je weiter sie kamen, desto mehr ist ihnen eben klar geworden. Von den deutschen Vertragspartnern betrogen, die den Nichtangriffspakt gebrochen und ihnen soviel Vernichtung gebracht haben, und ihren eigenen Leuten auch noch. Die sind fuchsteufelswild Sie wollen Rache für die Zerstörung ihrer eigenen Städte, die ganzen Kriegstoten. Sie bestrafen uns eben, machen unsere schönen Sachen kaputt, wie wir ihre auch kaputt gemacht haben.” Er zuckte die Schultern. “So sehe ich das jedenfalls.”

“Ja, so sehe ich das jedenfalls,” wiederholt Mutter und starrt an die Wand.

“Es geht meiner Mutter schon lange nicht gut,” sagt Anna, als sie die Treppe hinauflaufen. “Sie konnte einfach nicht mehr. Aber als dann der Zusammenbruch kam, da war auch sie einfach total am Ende. Sie hat so viel mitgemacht. Erstens glaubt meine Mutter immer noch, dass Kinder in einer Art Bilderbuchwelt aufwachsen sollten, wo alles schön, gerecht und nobel zugeht. Sie selbst ist andern immer sehr grosszügig und liebevoll entgegengekommen, aber als sie selbst so nicht behandelt wurde, da bekam sie’s mit der Panik für uns Kinder. Weinte immer nur, verstehst du?” sagt Anna.

“Ich habe noch nie so jemanden gekannt,” sagt Fritze tonlos.

Annas Haus, Gartenansicht. Foto: Franz Nörling

Annas Haus, Gartenansicht. Foto: Franz Nörling

Sie sitzen auf alten Kissen und einer Autodecke auf dem Balkon. Fritze arrangiert sein Bein.

“Meine Mutter erwartete, dass die Russen alle so sind wie Tatjana, die Ukrainerin, die die letzten drei Jahre bei uns war. Wir konnten uns kaum richtig mit ihr verständigen, aber wir wussten, dass sie eine anständige, warmherzige, liebenswerte junge Frau war. Wir haben sie alle enorm gemocht, und sie wurde eine Art Familienmitglied. Richtig gegenseitiges Vertrauen,” sagt Anna.

“Was is’n mit ihr geworden?”

“Sie ist schliesslich weg, nachdem sie drei Tage lang auf ihren Freund gewartet hat, ist angeblich auf so einem Wagen mitgefahren mit ‘nem Haufen Soldaten oder Fremdarbeitern oder was. Die Nachbarn glauben jedenfalls, sie hätten das gesehen. Wir konnten ihr nicht auf Wiedersehen sagen. Sie hatte uns so geholfen, aber als sie etwas Entsetzliches nicht verhindern konnte, die betrunkenen Soldaten nicht abhalten konnte - und meine arme Mutter, naja, da konnte sie’s nicht mehr aushalten und ist auf und davon.”

“Oh Mann. Kein Wunder, dass deine Mutter am Stock geht. Tut mir leid, ehrlich leid. Und was da heute passiert ist wird ihre Nerven nicht grade verbessern.”

“Nein, aber es gibt auch ganz anderes zu erzählen. Als ich da mitten in der Nacht vom Stolper Feld nach Hause kam, und angezogen, in meiner Uniform einfach auf der Matratze im Keller eingeschlafen bin, da ist meine Schwester aufgewacht und nach ‘ner Weile nach oben geschlichen und hat aus dem Schlafzimmerfenster geguckt. Da hat sie sie gesehen, die kleinen rennenden Soldaten mit den langen Gewehren, die von Haus zu Haus sind, und, ‘Hurray, Hurray, Hurray,’ geschrien haben, und da ist sie schnell wieder runtergekommen und hat gerufen, “sie sind hier! Die Russen! Sie sind da!” Ich rannte mit ihr wieder hoch, und da waren sie draussen. Sie zerschlugen die Kellertür mit den Gewehrkolben. Ich verlor total die Fassung beim Anblick meiner Uniform und kroch unters Bett. Kannst du dir sowas vorstellen?”

Fritze nickt. “Warum warst du denn in Uniform? Kriegseinsatz irgendwo?”

“Ja, Volkssturm. Über hundert Jungens haben wir betreut, die letzten vier Wochen. Lilly und Emma war’n auch dabei.”

“Ach ja? Was ist mit denen?”

“Emma ist am Morgen vom Einmarsch hier vorbeigekommen, aber wir waren versteckt, und meine Mutter hat ihr lediglich die Uniformjacke ausziehen können … sie wollte wieder los. Lilly, es geht so, das erzähl ich dir ein andermal, ja? Eigentlich wollte ich mal von dir hören, wie’s dir gegangen ist, und den andern Jungs vom Bunker. Habt ihr Kontakt?”

“Na klar. Graumann, du weisst doch, Picco Graumann?” Anna nickt. “Der ist im Treptower Park Kassierer beim Karussel. Wenn de dich beeilst, könnse dich vielleicht auch noch brauchen, Schimmel abstauben oder was. Er darf dafür dreimal frei fahren.” Anna grinst bei der Vorstellung von Piccos langen Beinen auf hölzernem Ross oder Schwan.

“Und wir andern aus unserer Ecke sind gleich in den Kohlenhandel eingestiegen. Geht glänzend.”

“Aber Fritze, es gibt doch gar keine Kohlen?”

“Det isset ja. Für Nachfrage is gesorgt. Wenns dunkel wird, geh’n die Jungs mit Rucksäcken rauf an den Bahndamm an die Loks, besorgen das Nötige und denn zurück in mein’Keller. Einer steht Schmiere.”

“Nach dem Curfew? Seid ihr schonmal erwischt worden?” Annas rechte Augenbraue ragt in die Höhe.

“Na hör mal. Wir sind doch schneller als die. Ich nich, aber bald, wart’s ab. Die können sich nicht vorstellen, dass wir da nachts rummachen.”

“Und?”

“Na ist doch überhaupt keen Thema. Manche Nächte, da wimmelt’s da draussen wie Sonntag Nachmittag im Zoo. Du, das Renaissance Theater hat wieder eröffnet, RAUB DER SABINERINNEN. Hätteste Lust?”

“Lust schon, aber wie komm’ ich denn da hin und wieder zurück?”

“Na, wir nehmen die Matinee. Da fährt doch ‘n Bummelzug morgens und abends, oder? Das schaffste. Früher hätte ich dich ja mit meinem Horch abgeholt, aber heutzutage kann man sich ja auf das Personal nicht mehr verlassen.”

Sie sitzen eine Weile und blicken stumm vor sich hin.

“Das Schlimmste, Fritze, ist doch nicht der Hunger und all die Ungewissheit über die Zukunft oder die Korruption, das Gefühl, dass man den Boden unter den Füssen verloren hat und niemand für Ordnung sorgt. Das Schlimmste ist nicht, dass wir den Krieg verloren haben, sondern die Erkenntnis, dass wir verdient haben, ihn zu verlieren. Dass die andern, die ‘Schweine’, dass die die Guten waren, dass die den lieben Gott auf ihrer Seite hatten. Im Moment kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen, dass ich das je überwinde.”

“Ich bezweifle, dass unser Vater im Himmel irgendwas damit zu tun hatte. An seiner Stelle würde ich mich da entschieden raus halten.”

“Ja, du hast natürlich recht. Ich glaube ja sowieso nicht mehr an ihn. Aber was ist mit meiner Trauer? Unserer Trauer? Wir vermissen so viele, viele liebe, anständige, unschuldige Menschen? Wo soll ich damit hin?” Anna schlägt die Hände vors Gesicht. “Meine Mutter hat von einer Familie gehört, die haben alle vier Söhne verloren. Wie können diese Menschen noch weiterleben? Welchen Sinn hat ihr Dasein jetzt?”

“Wir haben verloren als Hitler gewonnen hat,” sagt Fritze. “Ein Haufen Leute sind da gleich abgehauen. Ins Ausland.”

“Ich hoffe, sie leben noch und können wiederkommen wenn sie wollen.”

Anna streckt sich. “Es gibt aber auch richtig gute Nachrichten. Im Hause hier direkt gegenüber war eine junge Mutter im Nachthemd und Bademantel im Polstersessel und versuchte, ihr Neugeborenes zu stillen. Ihre Eltern und die kleine Schwester hatten sich im Keller versteckt. Aber sie wollte oben bleiben mit dem Säugling. Und wie die ersten drei Russen zur Tür hereinstürmen, da bietet sich ihnen dieser Anblick. Sie halten inne und sehen stumm hin. Dann drehen sie um und laufen davon.

Myrrhe und Weihrauch sind schon lange nicht mehr am Lager, und kriegen ‘se auch nicht wieder rein, aber als sie zwanzig Minuten später wieder in der Tür stehen, haben sie eine Tüte Brandt Zwieback, einen Haufen Kanold Bonbons und drei Dosen Milch in den Händen und legen die Geschenke behutsam auf den Esstisch. Über das ganze Gesicht strahlend, ziehen sie vorsichtig die Tür hinter sich zu.” Fritze nickt vor sich hin.

“In unserm Haus klapperten Tatjanas Zähne, bis sie ein Taschentuch dazwischen gesteckt hat, aber dann kamen die Soldaten gar nicht herein.

Wir hörten russische Worte draussen, vor der Kellertür, aber dann sind sie tatsächlich weiter gezogen. Es stellte sich heraus, dass unser Nachbar, der ein paar Worte Russisch kann, im Morgengrauen durch unseren Garten gekommen ist und mit ihnen gesprochen hat! Er hat sie überzeugt, dass keine Soldaten in der Nachbarschaft waren. Im Halbdunkeln ist er da vor ihren Augen durch unseren Garten gegangen, um uns mitten in der Nacht zu helfen. Hast du schonmal sowas gehört?”

“Haben sie auf ihn geschossen?”

“Nein, aber drei Tage später beinah.”