16
Februar 1945
Nachtdienst

Eine harte Woche für die sterbende Stadt. Die bisher schlimmsten Luftangriffe des Krieges werden von den Ruinenbewohnern in den ersten Februartagen dieses Jahres erduldet. Sie harren in Erwartung von Nachrichten ihrer Angehörigen noch aus. Aber auch Tausende von Flüchtlingen, die Tag und Nacht in überfüllten Güterzügen durchkommen, leiden mit.

Emma, Eva und Nadja haben heute keinen Nachtdienst, aber Hilde, Lilly und Anna sind hier, und natürlich die Jungen vom Bombeneinsatz aus der Innenstadt. Fritze, Picco Graumann, der feuerrothaarige von Mohr, ‘der Kleene’, der, viel zu jung, eigentlich gar nicht aufgerufen war, aber nun geduldet wird und immer mithilft. Sie und die drei Mädel haben elfhundert Flüchtlinge mit ihren Babies, den Alten und vielen Bündeln aus den Güterwagen geholt. Bei streng eingehaltener Verdunkelung haben sie sie in der Kälte an den zerstörten Bahnsteigen des Bahnhofs entlang geführt, durch den Tunnel, um neue Strassenkrater herum und in den Tiefbunker, die Rampen hinunter, immer weiter, an den Waschräumen vorbei, den Kaffeeküchen, dem Sanitätsraum und schliesslich in Schlafräume mit Strohsäcken.

Fritze und Anna arbeiten zusammen, wie so oft. Fritze ist gross, kräftig, durch nichts aus der Ruhe zu bringen, und Anna ist dankbar, dass sie so gut miteinander auskommen.

“Merken sie sich die Nummer von ihrem Schlafraum, bevor sie zur Toilette gehen,” raten sie den erschöpften, hungrigen, stummen Menschen, deren Augen ausdruckslos bleiben. Einige fragen, ob man sich wo waschen kann und nehmen erleichtert Handtuch und Winzigseife entgegen. Andere sitzen aufrecht an die Wand gelehnt, eine dampfende Kaffeetasse in den Händen, schlafende Kinder im Schoss, Frauen, Männer und viele, viele Kinder.

Fritze trägt Säcke, Koffer, Bündel und sogar Verwundete in den Bunker. Die Züge werden regelmässig von Tieffliegern beharkt, und dieser ist von seinem verletzten Lokführer eben noch in den Bahnhof gebracht worden.

Anna bringt Frauen mit grotesk geschwollenen Beinen zur Station, wo eine lange Schlange wartet. Dann ist sie wieder oben, um weitere Flüchtlinge zu holen. Es wird Alarm erwartet, bevor alle heil verstaut sind. Sowie der Voralarm gemeldet ist, werden die Wagentüren zugerollt, und ein Aushilfslokführer fährt den Zug hinaus in die Wälder. Später sollen sie zurückkommen. Vielleicht morgen früh erst. Die Ausgeladenen wenigstens werden heute nacht schlafen, nachdem sie eine gute Suppe und Butterbrot bekommen haben und Milch für die Kinder. Auch Windeln werden ausgegeben und Zigaretten für die Erwachsenen.

Aber auch draussen ist das Atmen keine Freude. Rauch, Staub, und der süssliche Gestank von Verwesung sind hier oft Beigemisch. Die Kinder weinen, als sie über das schneeige Geröll auf der Strasse klettern. Fritze trägt so viele wie er kann, oft in jedem Arm eins und heute ein drittes auf dem Rücken. Er bringt sie zum Lachen, summt Liedchen, kitzelt auch mal und beruhigt sie wieder.

Aber als der Zug fort ist, wird die Luft im Bunker zum Schneiden dick. Schweiss, Windeln, Zigarettenrauch, Küchengeruch - die Ventilation lässt viel zu wünschen übrig.

Draussen auf der Bahnhofseite liegen Leichen unter einer Plane und warten auf Abtransport. Anna sieht nicht hinüber.

Dies ist das erste mal, dass sie nach ihrer Schicht nicht nach Hause gehen konnten, haben nun fast sechsunddreissig Stunden Dienst, und Anna ist sonderbar leicht im Kopf. Theoretisch sollte sie morgen früh zur Schule, (für die vier Stunden Hauptfächer) die für die Angehörigen der Noteinsatzklassen eingerichtet wurde. Aber sie kann sich nicht vorstellen, wach zu bleiben, nichtmal für diese geliebten Lehrer.

Diese beiden, längst in Ruhestand, Dr. Witte, der frisch ausgebombt, eines morgens zwanzif minuten zu spät kam, und Frau Schöner. Sie versichern ihren Schülern dass es für sie eine Chance, beim Wiederaufbau ihres Landes mitzuwirken. Ja, sie würden es schaffen.

Nach der Entwarnung, nachdem Lilly und Hilde in dem Einsatzschlafraum auf Ebene I verschwunden sind, sagt Fritze zu Anna, “Ich bin zu müde zum Schlafen, will’n bisschen rumlaufen. Hätt’ste Lust, ‘ne Genussrunde zu drehen? Oder willste an ‘ner Matratze horchen?”

“Nee, ich könnte nicht schlafen, einfach zu, zu”- und so verlassen sie mit den wenigen verbliebenen Einwohnern aus der Umgebung den Bunker. Zu ihrer Erleichterung hat die Nachbarschaft nicht noch mehr abgekriegt diese Nacht. Bomben fallen tonnenweise in die bereits verwüsteten Strassenzüge. ‘Bombenteppich’ nennen sie das, ganze Stadtviertel von farbigen Lichtern gekennzeichnet, den ‘Christbäumen’, aber diesmal ist die ausersehene Fläche eine andere; man sieht das Flammenmeer südöstlich und nördlich, Rauch und Russ halten sich heute hier in Grenzen.

Fritze und Anna sehen sich um. Lautes Hämmern ist bereits aus dem Bahngelände zu hören, wo sie Holzplanken legen, um den einen Bahnsteig wieder begehbar zu machen, der für Flüchtlingszüge instandgehalten wird, die Schienen immer wieder ersetzt. Aber das Gerücht geht um, dass sie bald nicht mehr an Fernbahnhöfen der Innenstadt halten werden, sondern weiter draussen in Richtung der Vororte, an Laderampen, wo die Loks gleich mit frischer Kohle, Wasser und neuem Personal versorgt werden können. Man munkelt von Schönholz.

“Na, was hab ich gesagt?” ruft Fritze und deutet auf ein sechsstöckiges Gebäude, das ein paar Strassen weiter unversehrt stehen geblieben ist.

“Du hast behauptet, bis heute wär’s bestimmt auch weg, aber ich kenne doch meine Bürokraten. Das is’n Arbeitsamt oder sowas, das muss doch stehen bleiben, oder?”

“Ja, recht haste.” Sie gehen auf das Haus zu, an beiseite geräumten Trümmern vorbei. Die Wolken sind verschwunden, und sie können gut sehen. Der Eingang ist nicht verschlossen, sodass jeder, der nachts bei Alarm hier überrascht wird, sich zur Not unterstellen kann. Da stehen sie in der sauberen Eingangshalle und blicken sich um.

Fritze ergreift Annas Schulter.

“Lenk mal deine Scheinwerferchen da hinten hin.”

“Was is’n -ach!” Hinten links bewegt sich langsam und ächzend ein ‘Pater Noster’, einer der offenen, trägen, ständig in Bewegung bleibenden Fahrstühle, die man noch in öffentlichen Gebäuden aus der Gründerzeit finden kann. Sie sind nur für Flinke, Unerfahrene und Abenteurer — die übrigen nehmen die Treppe.

“Unser Zahnarzt hatte so ‘n Ding,” sagt Fritze. “Ich soll meine Mutter gefragt haben, ob die Kabine im Dachstuhl kopfüber wieder runterkommt oder wie. Aber sie wusstet nich.” “Na und?”

“Bis heute ist es eines der ganz grossen Rätsel geblieben,” sagt Fritze ehrfurchtsvoll auf Hochdeutsch.

“Wo warten wir drauf. Haste Lust?” Anna lacht, Fritze pfeift durch die Zähne, und sie springen in die nächste Kabine. Anna hat Fritzes Ärmel fest im Griff und lässt auch nicht los, als sie den sechsten Stock passieren und dem Dachstuhl zuschweben. Langsam erhebt sich die Kabine über den Holzboden und bietet ihnen ein ernüchternd leeres Bild. Nichts als eine Reihe von Wassereimern ist zu sehen. Nun der Moment der Entdeckung — würden sie auf die Seite gelegt und auf dem Kopf die Rückfahrt antreten? Sie husten und lachen und sehen sich im Dunkeln gespannt an, als die Kabine schubst und seitwärts schuckert, quietscht, einen Augenblick einhält, wie um sich für die Fahrt nach unten vorzubereiten.

Mit einem Seufzer der Erleichterung springen die beiden in der Eingangshalle hinaus.

“Du kannst jetzt meinen Arm loslassen,” sagt Fritze. “Wir sind unten. Aber es muss nich sein.” Anna lässt ihn los wie eine heisse Kartoffel. Draussen hören sie Feuerwehr und schwere Laster rumpeln, aber es ist niemand zu sehen.

Wie sie da so stehen bringt Anna eine der anderen ungelösten Fragen zur Sprache.

“Denkst du manchmal drüber nach, wie eigentlich unsere Seiten sauber werden?”

“Wie? Ich hab dich nicht verstanden.”

“Also ich weiss ja nicht wie Jungens das machen, aber ich wasche mich immer von oben nach unten, vorne und den Rücken, aber nie die Seiten. Von meinem Körper. Verstehst du was ich meine?”

Fritze verhält sich abwartend.

“Vor zwei Jahren war ich nachts mal aufgewacht und hab mir Gedanken drüber gemacht. Ob ich nicht wahnsinnig dreckig von der Achselhöhle nach unten sein müsste. Und als ich im Badezimmer vor dem Spiegel stand-”

“Sollen wir gleich mal nach grauen Flocken forschen?” fragt Fritze.

“- aber es war alles ganz sauber. Ich verstehs auch nicht,” sagt Anna.

Fritze schüttelt nur mitfühlend den Kopf und hebt den Blick zum Himmel.

“Wieviel Uhr ist es?” Annas Uhr geht nicht.

“Halb vier,” sagt Fritze. “Willste jetzt Senge kriegen oder lieber später? Da drüben könnte einer sagen, wir waren verpflichtet, fürs Vaterland zu schlafen.”

“Stimmt,” sagt Anna, “ich würde mich nicht wundern. Wir können ja hingehen und noch Brote schmieren helfen für die armen Leute da, aber ich bin es so müde, verstehste?”

“Genau wie ich,” sagt Fritze. “Lass uns mal da drüben hingehen. Wenn mich nicht alles täuscht, steht auch da noch ein richtiges Gebäude, sozusagen jedenfalls.”

“Ja, lass uns halt paar Ratten besuchen,” und vorsichtig gehen sie eine enge Strasse entlang, mit leeren Fensterhöhlen, nur Häuserfronten, vorbei an einem Schild: ACHTUNG – KEIN DURCHGANG, EINSTURZGEFAHR!

Ein riesiger Krater zur Rechten ist bis oben mit modrigem Wasser gefüllt. Fritze hält Anna bei der Schulter. Als sie sich dem bewussten Gebäude nähern, wird klar, dass der Platz davor einigermassen intakt ist, mit säuberlich geparkten Kübelwagen am beschädigten Eingang. Zögernd lehnen Fritze und Anna sich an die Seitenwand und hören plötzlich Stimmen hinter einem Kellereingang, und dann Musik. Laute Musik, Jazz, ‘wahnsinnig rassige Töne’, süss verführerische Soli — sollte das am Ende ein Kino sein? Nein, live jazz ist es.

Die SCALA

“Irre,” sagt Anna. Fritze holt tief Luft.

“Sensation. Wir müssen rein, wenn die trommeln. Sobald die still sind, laufen alle herum und sehen uns,” sagt er ganz vernünftig, und Anna kann nur zustimmen, ausser dass sie nicht gleich logisch folgert, dass sie überhaupt da drin geschnappt werden sollten, minderjährig und so weiter. Aber Fritze hat schon die Tür geöffnet und zieht sie hinter sich her. Sie stehen im Dunkeln auf dem Absatz einer schmiedeeisernen Wendeltreppe, die sowohl in den Keller, als auch hinauf, hinter einen schweren Bühnenvorhang führt. An seinem Durchschlupf wartet bereits eine Reihe spärlich bekleideter Tänzerinnen, zwei miteinander schmusend, aber da muss sich Anna ja täuschen. Eine Brise von Parfüm und Schminke spielt zu ihnen herüber und hüllt sie ein. Rechts hat Fritze ein paar Ankleideräume entdeckt. Sie sehen Instrumentenkästen und -hüllen, Jacketts, Seidenschals. Er zieht Anna hinein und drückt die Tür soweit zu, dass er nur durch einen Schlitz sehen kann. Es ist mollig warm hier.

“Was ist bloss hier los?” sagt Anna an die Wand gelehnt, aber Fritze hört nichts.

“Ich muss einfach kucken gehn, wer im Publikum sitzt,” sagt er in ihr Ohr und schlüpft hinaus.

“Hab mich geirrt,” sagt er einen Moment später. “Ich dachte es sind ein Haufen Parteibonzen, aber weit gefehlt: Offiziere, ein paar verwundet, und ein oder zwei SEHR berühmte Damen…”

“Wer?” fragt Anna, “haben die Tänzerinnen dich nicht gesehen?”

“Ja, ich glaube schon, aber ist doch egal. Was solls? Los, du musst kucken während sie noch spielen. Jetzt!” Und Fritze macht die Tür wieder auf und schiebt Anna um die Ecke. Wo sie nun deutlich englische Laute vernimmt, und ein paar französische. Es sind offenbar sechs in der Band, die nicht richtig singen zur Musik, sondern hineinreden, sie senken die Trompete und reden! Fritze hatte nicht gesagt, dass die Band schwarz ist, alle sechs. Und richtig, jetzt erkennt sie eine sehr berühmte deutsche Schauspielerin, an dem Mitteltisch gleich vorn, mit drei Offizieren, Sektgläsern vor sich und einer Flasche auf Eis. Wird sie noch singen oder ist sie Gast?

Die Band spielt TIGER RAG, und SWEET GEORGIA BROWN, das Anna zum ersten mal hört, und nun zieht Fritze sie am Ärmel, da es so aussieht, als ob eine Pause eingelegt würde. Sie schlüpft in den Ankleideraum zurück, eben als die Tänzerinnen vorgehen.

“Wir kämpfen gegen den falschen Feind,” sagt Anna, “wie kannst du jemand hassen, der solche Musik macht?”

“Du kannst,” sagt Fritze nüchtern,” sobald du wieder rauskommst und daran erinnert wirst, was sie uns getan haben.” Aber er sitzt trotzdem am Boden mit einem Gesichtsausdruck den Anna noch nie bei ihm bemerkt hat.

“Oh Gott, ja,” sagt Anna, “beinah hätte ich’s vergessen. Aber Musik ist unschuldig. Worte sind beschissen. (ich hab ‘beschissen’ gesagt und mich nichtmal entschuldigt, denkt sie), und genau in diesem Moment kommen drei ‘Kettenhunde’ der Militärstreife mit ihren mittelalterlichen Brustschildern und wollen ihre Ausweise sehen. Fritze und Anna kramen sie heraus und sind schuldig im Sinne der Anklage. So werden sie denn in die klirrend kalte Mondlandschaft entlassen, der Duft von Rauch ersetzt das Parfüm, ihr zartes Alter vor feindlicher Musik geschützt, wenn auch nicht vor feindlichen Bomben. Langsam schlendern sie durch die Trümmer zurück zum Bunker.

Fast alle Jungen wohnen in der Innenstadt, ihr Heim entweder schon eine Ruine oder in ständiger Gefahr, eine zu werden.

“Gestern hat sich Muttis ganzes Büchergestell von unserer Familie getrennt,” berichtet einer eines morgens.

“Ist direkt durch die Wand gekracht, und unten im Schutt in einer Badewanne gelandet.”

Anna schämt sich. Sie, Nadja und all die andern Mädel fahren jeden morgen hinaus in die Vororte, laufen durch die kaum veränderten Strassen, die Häuser intakt, und fühlen sich fast geborgen zwischen all ihren Bäumen.

Es ist eine Woche später, mit dieser Gruppe, Anna und Fritze unter anderen, kommen sie aus dem Bunker und können vor rauchenden Ruinen ringsum kaum atmen. Der Luftschutzwart will sie mit ausgebreiteten Armen zurückdrängen. Es steht kein Zug im Bahnhof, und jetzt wird auch keiner mehr herein können. Anna hat ihr Halstuch abgenommen und hält es vor Mund und Nase. Da entdeckt sie eine Gruppe von Ruinenbewohnern, die immer im Bunker übernachten. Sie stehen etwa fünfzig Meter entfernt an einem grossen frischen Krater. Sie zieht Fritze an der Jacke mit. Sie stellen sich zu den schweigenden Menschen und sehen alle nach oben. Zuerst ist nichts zu erkennen, Flammen und Rauch sind im Wege. Mit brennenden Augen machen sie schliesslich einen Körper aus, der langsam an einem riesigen Fallschirm aus dem Nachthimmel herabschwebt. Ein starker Wind ist aufgekommen. Wird ihn der hier herüber in den brennenden Krater treiben, der Feuersturm, den seine Besatzung mit entfesselt hat? Wenn nicht, werden diese zornerfüllten Menschen ihn anfallen, sollten sie ihn erwischen. Eine stumme Spannung liegt über ihnen, um Fritze und Anna, die schwer zu ertragen ist. Der Mann am Fallschirm ist wehrlos, und er weiss es genau. Die letzten paar Meter fällt er rascher. Ohne Worte schieben Anna und Fritze sich durch die stille, doch wutentbrannte Menschenmenge. Sollte er an der Strassenseite des Kraters landen, könnten die beiden ihn erwischen, aber der Fallschirm wird ja Feuer fangen, und dann?

Auf einmal ist er da, rutscht direkt vor Anna und Fritze am Kraterrand herunter. In diesem Moment bricht ein Sturm von Flüchen los. Alle haben ihre Stimme gefunden. Fritze schiebt die stossenden Menschen beiseite, aber sie schleudern ihn wütend zurück.

“Lasst das sein. Nicht doch!” ruft er in die Menge, da greifen vier starke Arme an ihm vorbei und reissen den verrussten RAF- Mann aus dem Trichter, zerschneiden ruck-zuck die Fallschirmleinen mit Zangen und zerren ihn in den Kübelwagen der Feldgendarmerie.

“Engländer?” ruft einer, aber der schüttelt den Kopf, und Anna hört,

“Canadian.” Die Berliner umringen den Wagen, ausser sich vor Empörung.

“Die Schweine,” ruft eine Frau in mittleren Jahren. “Was habe ich denen bitte getan? Sie kommen und schmeissen Bomben auf meine Wohnung, ermorden meine Mutter und mein Kind, die Schweine! Womit hat meine Mutter das verdient? Und meine Kleene! Und Ihr Kerle kommt einfach und beschützt den auch noch!”

“Ich sage lass’n brennen, n’ Geschmack seiner eigenen Medizin,” empört sich ein Mann. Die Feldgendarmen fahren ab. Mehrere Männer der Luftschutzwache kommen nun und treiben alle energisch in den Bunker zurück. Draussen stürmt es.

Anna steht mit klappernden Zähnen innen in der Nähe des Eingangs. Sie hält die zitternden Arme über der Brust verschränkt, kaum gewahr, dass Fritze hinter ihr steht und sie festhält.

“Oh Mädchen,” sagt er unsicher. “Oh Mädchen!”

Da kommt schon Lilly und übernimmt Anna. Im obersten Flur führt sie sie hin und her, auf und ab, bis zum Ende und wieder zurück, spricht leise auf sie ein, und bringt sie schliesslich in den Schlafraum, wo Picco ihr sein Kopfkissen herüberreicht und sie fest einschläft.